Holzschnitt 1510
    
Niklaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Der Amstalden-Handel
  
Quelle Nr. 014

  

  
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Zeit: 15. August 1478
  
Herkunft: Staatsarchiv Luzern, Akten des Amstalden-Handels [Amstaldenhandel]
  
Kommentar: Nach dem Burgunderkrieg steuerten die Eidgenossen auf eine Krise zu. Die Patrizier in den Städten setzten sich politisch immer mehr ab von den Bauern der Länderorte. Sonderbündnisse untereinander und mit Städten ausserhalb wurden von den Stadtorten Luzern, Zürich und Bern angestrebt. Dies war den Luzernern jedoch durch den Waldstätterbund untersagt. Als trickreichen Ausweg nahmen sie sich gegenseitig als Bürger ihrer Städte an (Burgrecht). Wiederum als Antwort darauf schlossen die Länderorte (Urkantone und Glarus) sowie Zug mit dem Bischof von Konstanz 1477 ein Landrecht ab. Doch nicht genug damit, die Städte Bern und Luzern hatten grosse Untertanengebiete, deren Bewohner kein leichtes Leben hatten. So kam es, dass insbesondere die Obwaldner mit den Untertanen Luzerns, mit den in der Mentalität ihnen verwandten Entlebuchern zusammenspannten. Es gab Pläne, dass das Entlebuch als dritter Teil dem zweiteiligen Unterwalden hinzugefügt werden sollte. Für ihr Ansinnen wollten sie auch Bruder Klaus einspannen, was ihnen jedoch nicht gelang, obwohl sich für das Vorhaben auch ein Verwandter von Bruder Klaus vehement einsetzte: Amman Heinrich Bürgler.
  
Das Entlebuch gehörte noch vor Jahrzehnten (seit 1300) den Habsburgern, verpfändet an Peter von Thorberg, welcher die Freiheiten der Bauern stark einschränkte und die Abgaben erhöhte. 1380 kam es wegen eines Streits um Alpweiden zwischen den Entlebuchern und den Obwaldnern zu einem Gefecht bei Sörenberg (am Fusse des Brienzer Rothorns). Das weitere Vordringen der Obwaldner wurde aber mit Hilfe des Pfandherrn, Peter von Thorberg, aufgehalten. 1385/86 schloss Luzern mit den Bewohnern einen Beistandspakt und nahm sie in das Burgrecht auf. Nominell waren die Entlebucher aber immer noch Untertanen Habsburgs und mussten Abgaben entrichten. 1405 ging das Pfand an die Stadt Luzern, welche eine Vogtei einrichtete. Diese hatte nun offensichtlich bald auch ihre Schattenseite.
  
Der Kopf des Entlebucher Aufstandes von 1478 war Peter Amstalden, bzw. «am Stalden», Wirt und Hofbesitzer in Schüpfheim und noch vor Kurzem angesehener Hauptmann der Entlebucher Truppen in den Burgunderkriegen, in der Schlacht bei Grandson verwundet.
  
Der für die Herbstmesse 1478 geplante Staatstreich misslang, der Entlebucher Peter Amstalden wurde am 24. August in Luzern verhaftet, verurteilt, gefoltert und nach ein paar Wochen hingerichtet. Zwei Obwaldner waren besonders involviert in die Affäre: Hans Küenegger und Ammann Heinrich Bürgler. Durch den Vorfall war das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen Luzern und Obwalden auf Jahre hinaus belastet. – Ob und was Bruder Klaus zu dieser Affäre gesagt hatte, ist nicht bekannt. Hingegen ist bekannt, dass der Berner Ratsherr und mehrmalige Schultheiss sowie Gesandter bei den Tagsatzungen der Eidgenossen, Adrian von Bubenberg, Verständnis für beide Seiten aufbrachte und entschieden auf eine Versöhnung hinarbeitete – wie so oft setzte er sich für eine Deeskalation ein. Luzern lenkte ein und zeigte das besondere Vertrauen in die Entlebucher Streitkraft mit einer eindrücklichen Harnischschau in Luzern, die Entlebucher bekundeten so ihre Loyalität, und die Ehre der Entlebucher war wiederhergestellt. Die Versöhnung gelang hier zwar, aber der Konflikt mit Obwalden schwelte noch über Jahre weiter. Hans Küenegger wurde zweimal beim widerrechtlichen Betreten der Stadt Luzern verhaftet, beim zweiten Mal, als er 1490 mit Unterwaldner Truppen (als Bannerherr Obwaldens) durch Luzern marschieren wollte (obwohl es auch andere Wege gegeben hätte), um am St. Gallen-Krieg teilzunehmen (vgl. Quelle 051).
  
Peter am Stalden wurde vor der Hinrichtung von den Luzernern gefoltert. Unter der Folter(!) belastete er auch Adrian von Bubenberg schwer: Er habe Bürgler und Küenegger zu ihrem Verhalten ermuntert. Als dies in Bern bekannt wurde, forderte die Aarestadt sofort von Luzern und von Unterwalden eine ernsthafte Erklärung. Darauf reiste Adrian von Bubenberg – seit Ostern 1478 (22. März) wiederum Schultheiss – mit einigen Kollegen aus dem Kleinen Rat Berns nach Stans (Berner Missiven-Buch, Samst. n Mart. [14. November] 1478), um die Sache zu klären. Unterwalden sandte seinerseits eine Gesandtschaft nach Luzern, um den kurz vor der Hinrichtung stehenden Amstalden zum Widerruf aufzufordern. Dieser lehnte es ab, Bubenberg wieder zu entlasten. Der Aufforderung an Bürgler und Küenegger, sich in Luzern einem Gegenverhör zu stellen, kamen die beiden Beschuldigten nicht nach. Adrian von Bubenberg wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen und bemühte sich weiterhin um eine umfassende Klärung des ganzen Vorgangs. Seine ausgewogene und stets auf Deeskalation ausgerichtete Haltung erregte aber in Luzern immer stärkeren Argwohn. Wer sich für Frieden und Deeskalation einsetzt, macht sich nicht immer bei jederman beliebt und setzt sich schnell einmal wilden Gerüchten aus. Dass Bubenberg mit seiner adligen Herkunft und seiner politischen Gesinnung einen Volksaufstand unterstützt haben könnte, ist absolut undenkbar. Der Grund für die Diffamierung liegt eindeutig woanders. Die Luzerner waren in geradezu fanatischer Weise an Frankreich «gebunden»; der führende Kopf, Kaspar von Hertenstein (Schlossherr von Buonas am Zugersee), eben noch Kommandant der Nachhut in der Schlacht bei Murten, hatte von König Ludwig XII. eine lebenslängliche Pension erhalten. – Kaspar von Hertenstein wurde zusammen mit dem Zürcher Bürgermeister und Heerführer, Hans Waldmann, vor der Schlacht bei Murten zum Ritter des Königs von Frankreich geschlagen. – Bubenberg und sein Kollege im Kleinen Rat von Bern, Rudolf von Erlach, waren stets Gegner des französischen intriganten Königs Ludwig XI., der eben erst als Dauphin 1444 mit seinem Armagnakenheer den Eidgenossen bei St. Jakob an der Birs gegenüberstand. – Dass sich Bubenberg nun auch noch für eine Vermittlung einsetzte, war Einigen ein Dorn im Auge. Es gab Leute in Luzern, die den in seiner Heimatstadt hoch angesehenen Berner Ritter und Schultheiss gerne ausschalten wollten, obwohl er eben erst durch das pauschale Burgrecht auch Bürger von Luzern geworden war. So wurden offensichtlich dem gefolterten Peter am Stalden die belastenden Worte unter Zwang in den Mund gelegt. Auf der anderen Seite kann eben auch zum Missverständnis beitragen haben, dass sich Adrian von Bubenberg öfters in Obwalden aufgehalten hatte, zweifellos immer bei dem mit ihm befreundeten Einsiedler, Klaus von Flüe. Zugleich kam er dabei auch von Berufs wegen mit den dortigen Ratsherren in Kontakt, darunter Heinrich Bürgler und Hans Küenegger. (vgl. Der Schweizerische Geschichtsforscher, Siebenter Band, Bern 1828, 202––203).
  
Die angebliche Zusage Bubenbergs für eine Unterstützung Unterwaldens [ob dem Wald], bzw. der Entlebucher unter der Führung Peter Amstaldens ist in den Prozessakten (Verhören) von Luzern erwähnt. Die Akten wurden durch Theodor von Liebenau (allerdings nicht textkritisch, teilweise auch fehlerhaft) editiert, sie sind im «Geschichtsfreund» nachzulesen: Theodor von Liebenau, *Der Hochverrathsprocess des Peter Amstalden*, in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte 37, 1882, S. 85–192. Dort ist auch nachzulesen, dass Künegger nach Bern reiste, um sich von Bubenberg bestätigen zu lassen, dass es nicht stimme, dass er mit ihm konspiriert habe. Von Bürgler sei er einmal auf das Burgrecht angesprochen worden. – Dieser Hinweis (10.09.2010) ist zu verdanken: Andreas Ineichen, Projektmitarbeiter für die Edition der Rechtsquellen im Staatsarchiv in Luzern.
  
Der Luzerner Staatsmann und Rechtshistoriker, Philipp Anton von Segesser (1817–88), befasste sich (Sammlung Kleiner Schriften, 2. Band, Bern 1879, 37–46) ausführlich mit dem Amstaldenhandel sowie der falschen Anschuldigung bezüglich Konspiration Adrians von Bubenberg mit Obwaldnern, die in die Umsturzvorbereitungen der Entlebucher involviert waren. (S. 41). Er erwähnt aber auch den merklichen Gegensatz zwischen der Franzosen-Partei und der antifranzösischen Partei (S. 43): Adrian v. B. sei in Bern das Oberhaupt der Partei gegen die Allianz mit Frankreich gewesen und in Luzern die Schultheissen Hassfurter und von Hertenstein auf der Gegenseite. Am 21. Oktober (Weinmonat) 1478 sandte der Rat von Bern eine Botschaft an den Rat von Luzern, worin sie in Abrede stellten, dass sie mit dem geplanten Aufstand der Entlebucher etwas zu tun hätten. Nach der wenige Tage später folgenden Aussage (in älterem Deutsch: «Vergicht») Amstaldens unter Folter mit der Beschuldigung der Konspiration seitens Adrians v. B. glaubte man in Luzern den Leuten in Bern offensichtlich nicht. Bern bemerkte schon vorher gegenüber Luzern deutlich: Diese Anschuldigung (Vergicht) würde das Burgrecht «halb berühren» und sie sollen diese «Vergicht» glaubhaft dem gleichen Boten als Antwort mitgeben. – Von Segesser zitiert auch in einer Anmerkung (S. 41 ) die gleiche Quelle (wie unten), wonach die «Verschwörer» eben auch Bruder Klaus in ihre Pläne miteinbeziehen wollten. Ferner zitiert von Segesser einen Brief des Rates von Bern vom 14. November 1478 an die Obwaldner Regierung (S. 42), worin auf den 20. November der Besuch des Schultheissen von Bubenberg angekündigt wird, um die guten, freundschaftlichen Beziehungen wieder zu festigen.
  
Weitere Literatur zur Vermittlertätigkeit Adrians von Bubenberg, in: Abhandlungen des Historischen Vereins des Kantons Bern (AbhHVBern):
a) R. Fetscherin, Aktenstücke zu Adrian von Bubenbergs Biographie, besonders den Handel wegen Amstalden betreffend, in: AbhHVBern 2, 1851/54, S. 318–329
b) Basilius Hidber, Zu Peter Amstaldens Prozeß, besonders Bubenberg betreffend, in: AbhHVBern 2, 1851/54, S. 345–349
  
Der «Kalte Krieg» zwischen Luzern und Obwalden sowie die ganze politische Lage im Dreieck Luzern–Bern–Obwalden wegen des Amstalden-Handels war denn auch bis zum Stanser Verkommnis (Quelle 024), am 22. Dezember 1481, der Konfliktfaktor Nummer 1, der eigentliche Stressor für das lange Ausbleiben einer Einigung zu einem neuen Bündnisvertrag. Es hätte bei negativem Ausgang wohl keinen Bürgerkrieg gegeben – was allein schon von der Begrifssdefinition her falsch interpretiert und zudem übertrieben gedeutet wäre – nein, es gab ja bereits einen Krieg, wenn auch nur einen «kalten», jedenfalls war ein Unfriede unter den Eidgenossen.
c) Philipp Anton von Segesser (1817–88), Sammlung Kleiner Schriften, 2. Band, Bern 1879, 37–46
d) Andreas Ineichen, Buch zur Rechtsgeschichte des Entlebuch, Staatsarchiv Luzern – Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, III. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Luzern, Zweiter Teil: Rechte der Landschaft, Band 3: Das Land Entlebuch I: 1358 bis 1600, bearbeitet von Andreas Ineichen, Basel 2016
  
[Streit um das Burgrecht, Politik für den Frieden, Friedenspolitik – Amstalden-Handel, Amstaldenhandel].
  
Referenz: Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 77

  

   Hans am Lindoten von Romos [bei Entlebuch] erzählte: Er sei an Maria Himmelfahrt im Hause Peter Amstaldens in Stalden [im Entlebuch, wahrscheinlich Obstalden bei Schüpfheim] gewesen. Da habe Peter zu ihm entsprechend gesagt, dass er mit mir zur Kirchweihe [Chilbi, 13. September in Giswil] ginge, denn ich bräuchte zwanzig oder dreissig gleich starke Männer. Dies müsse gut gelingen. Und unserere Priester [aus dem Entlebuch] müssten mit uns allen mitgehen zu Bruder Klaus, um dort eine Messe zu feiern.
  
[Bild aus der Chronik des Luzerner Schilling 1513 (fol. 127v/258): Peter Amstalden tafelt mit seinen Genossen unter der Dorflinde von Schüpfheim, während vorne ein Schreiber aus der Stadt Luzern Zeugenaussagen zur Verschwörung notiert.]

    
  
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